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Fessenheim

Badische Zeitung vom Montag, 5. Juli 2004

"Oberrhein taugt nicht als Standort"
BZ-INTERVIEW mit dem Schweizer Nationalrat Rudolf Rechsteiner: Aktionskomitee will gegen das AKW Fessenheim klagen
Bildunterschrift
Gegen das Kernkraftwerk Fessenheim will der Schweizer Nationalrat Rudolf Rechsteiner juristisch vorgehen. 

FOTOS: DPA/BZ

BASEL. Nach den Störfällen im Kernkraftwerk Fessenheim und den jüngsten Erdbeben formiert sich der Widerstand gegen die Kraftwerke in der Region. Das Nordwestschweizerische Aktionskomitee gegen Atomkraftwerke will sogar juristisch gegen Fessenheim vorgehen. Michael Neubauer sprach mit dem Co-Präsidenten des Komitees, dem Basler Nationalrat Rudolf Rechsteiner.

BZ: Warum sind Sie so optimistisch, dass es zu einer Abschaltung des Atomkraftwerks Fessenheim kommen wird? 
Rechsteiner: Weil inzwischen selbst Franzosen finden, dass Fessenheim nicht mehr sicher ist. Uns liegen Protokolle der Electricité de France (EdF) über den Bericht des unabhängigen französischen Erdbebenanalytikinstituts Berssin vor. Darin wird Fessenheim neben anderen AKW als stark sanierungsbedürftig bis zu gar nicht sanierungsfähig bezeichnet. Die Betreiber und die Behörden schätzen die Erdbebensicherheit unterschiedlich ein. Wir wissen auch, dass die Atomenergie-Branche diese kritischen Expertenergebnisse am liebsten totschweigen und die Seismologen auf ihre Seite ziehen will. Denn sie fürchten Sanierungskosten von mehr als 200 Millionen Euro für jeden der beiden Reaktoren in Fessenheim. 
BZ: Spielen Sie den Anti-AKW-David, der gegen den EdF-Goliath kämpft? 
Rechsteiner: Ich denke, es ist realistisch, dass Fessenheim eines Tages aus Sicherheitsgründen geschlossen werden muss. Aber es geht nicht nur darum: Wir wollen die Saat legen, damit am Oberrhein kein Euroreaktor gebaut werden kann. Und wir verstehen unseren Kampf gegen die Atomenergie auch als Eintreten für einen Technologietransfer: Wir bauen ja jetzt in Basel eine geothermische Stromerzeugungsanlage für 80 Millionen Franken. Solche Anlagen könnten langfristig für den ganzen Oberrhein interessant werden. Der Oberrhein eignet sich nicht als Standort für Atomkraftwerke. Das Hauptrisiko liegt in deren fehlenden Erdbebensicherheit. Die jüngsten Erdbeben haben uns das erneut gezeigt. Und in Fessenheim lagen 1965 und 1999 sogar die Epizentren zweier Erdbeben. 
BZ: Wie wollen Sie konkret gegen das Atomkraftwerk Fessenheim vorgehen? 
Rechsteiner: Wir planen einen trinationalen Schutzverband, der juristisch gegen Fessenheim vorgeht. Unser Vorbild ist die Region Genf, wo sich zahlreiche Gemeinden und Organisationen zusammengeschlossen haben, um gegen den französischen Schnellen Brüter Superphénix vorzugehen. Sie erreichten die Schließung. Weil wir Schweizer in der privilegierten Lage sind, dass die beiden Kantone Basel Stadt und Land Bestimmungen im Gesetz verankert haben, die ein Engagement gegen Atomkraftwerke fordern, zählen wir auf eine gewisse Unterstützung unserer Regierungen. 
BZ: Es ist immer leichter, über ein AKW im Nachbarland herzuziehen. Was tun Sie gegen die schweizerischen Kraftwerke? 
Rechsteiner: Wir unternehmen alles Mögliche gegen die schweizerischen AKW. Mit einer Aufsichtsbeschwerde haben wir den Entsorgungskostenfonds erzwungen, weniger Erfolg hatten wir mit unserer Klage in Sachen Terrorsicherheit. Aber erst ab 1. Januar 2005 kann man in Atomsachen erstmals vor das Schweizer Bundesgericht ziehen. 
BZ: So ein juristischer Kampf kostet Geld. Wie wollen Sie das bezahlen? 
Rechsteiner: Unser Verein verfügt nur über bescheidene Einnahmen. Wir hoffen, dass Kantone, Gemeinden und Organisationen beitreten und uns unterstützen. Wir könnten uns vorstellen, dass jede Gemeinde einen Euro pro Einwohner bezahlt. Doch so weit sind wir noch nicht: Wir fordern zunächst die Herausgabe der Erdbebenberichte von französischer Seite, um schweizerische Gegengutachten erstellen lassen zu können. Im August werden wir uns mit der Basler Regierung treffen. 

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