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Pressebericht

Fessenheim

Badische Zeitung vom Samstag, 18. Februar 2006

Diskussion um Druck von unten oder Handeln von oben

Die Mehrheit des Gemeinderates Merzhausen stimmt für eine Mitgliedschaft im trinationalen Atomschutzverband

Bildunterschrift
Das AKW Fessenheim (FOTO: DPA)

Von unserer Redakteurin Andrea Gallien

MERZHAUSEN. Die Gemeinde Merzhausen ist neues Mitglied im “Tras”, dem “trinationalen Atomschutzverband der Bevölkerung um das Atomkraftwerk Fessenheim”. Dies entschied der Rat mit Mehrheit in seiner Sitzung am Donnerstag und schloss sich damit einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an. Der Entscheidung vorausgegangen war eine zeitweise vor allem von Bürgermeister Eugen Isaak sehr emotional geführte Diskussion.
Worum ging es: Der Gemeinderat Merzhausen hatte im Juni 2004 beschlossen, in einer Resolution die Bundes- und die Landesregierung aufzufordern, das Thema Fessenheim im Rahmen der deutsch-französischen Konsultationen auf die Tagesordnung zu setzten und auf die sofortige Stilllegung des Atomkraftwerkes hinzuwirken. Außer einem von den Räten je nach politischer Couleur unterschiedlich bewertetem Antwortschreiben vom damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der die Verantwortung Frankreichs und des AKW-Betreibers für die Sicherheit der Anlage hervorhob, blieb die Resolution ohne Wirkung.
Deshalb hatte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Rat beantragt, dem “Tras” beizutreten, der, so Walter Menzel in seiner Begründung des Antrags, einen neuen Weg gehen und eine Klage gegen den Betreiber des Kernkraftwerks in Fessenheim anstrengen möchte. “Tras” mit Sitz in Basel ist ein Verein, dem mittlerweile Gemeinden und Einzelpersonen aus der Schweiz, dem Elsass und Südbadens angehören. Die Gemeinde Schallstadt war dem Verein erst jüngst beigetreten. Der Mitgliedsbeitrag für Merzhausen liegt bei 320 Euro jährlich oder bei einmalig 3200 Euro. Der Beitritt zu “Tras”, so Hannah Kegel (Bündnis 90/Die Grünen), stärke den Verein, bündele dort den Druck der Bevölkerung und sei somit ein “unterstützendes Element für die Diplomatie, aktiv zu werden”.
Hubert Schickl (SPD) sieht im “Tras” eine “Organisation der direkt Betroffenen”. Es sei “noch nie falsch gewesen, wenn sich Betroffene zusammenschließen und sich äußern”. Es sei angesichts der immer wieder auftretenden Störfälle in Fessenheim besser, selber aktiv zu werden, “als auf die Regierung zu warten”. Er stimmte letztlich wie die Räte von Bündnis 90/Die Grünen und die Freien Bürger für den Beitritt zum Verein.
Lore B. Illy (SPD) enthielt sich der Stimme. Sie fühle sich nicht ausreichend über die Anliegen und die geplante Vorgehensweise von “Tras” informiert . “Ich erwarte eine größere Transparenz, was der Verein macht”. Nach wie vor sei sie der Ansicht, dass das Thema Fessenheim vorrangig auf der politischen Ebene gelöst werden müsse.
Andreas Schonhardt (CDU) betonte, auch er teile die Besorgnis der Bevölkerung. Auch er sei für einen Ausstieg aus der Kernenergie. Bei der Frage “Tras” -Beitritt oder nicht verlaufe aber die “Frontlinie nicht zwischen Atomkraftgegnern und Befürwortern”. Er gehe vielmehr darum, ob es überhaupt die Aufgabe eines Gemeinderates sei, namens der Bürger einem nicht parteiunabhängigen Verein wie “Tras” überhaupt beizutreten. Unterschwellig klinge bei einem Eintritt in den Verein mit, dass man der Politik nichts mehr zutraue. Das sei nicht sein Verständnis von Demokratie. Deshalb stimmten er und seine Fraktionskollegen gegen den Vereinseintritt.
Schonhardt schlug vielmehr vor, nach der aus seiner Sicht enttäuschenden Reaktion von Jürgen Trittin sich nochmals an die nun neue Bundesregierung zu wenden und auf eine Diskussion über Fessenheim bei den deutsch-französischen Treffen zu dringen. Falls dies wieder scheitern sollte, könne der Rat in einem Jahr noch einmal über den “Tras” -Beitritt sprechen und “dann stimme ich auch für Tras”. Diesen auch als Antrag formulierten Vorschlag von Andreas Schonhardt lehnte die Mehrheit des Rates ab.
Während die Diskussion unter den Räten sehr sachlich verlief, konnte Bürgermeister Eugen Isaak seinen Unmut nicht zügeln. Er warf den Räten von Bündnis 90/Die Grünen vor, das Thema bewusst kurz vor der Landtagswahl aufzubringen. Schon lange störe ihn, wie “mit unterkühlter Sachlichkeit” die Ängste der Menschen geschürt und missbraucht werden: “Mit einem “Tras"-Beitritt “verlassen wir den vernünftigen Weg. Noch ist nicht bewiesen, ob die neue Regierung auch versagt.” Ihr müsse man zunächst eine Chance geben. Er wolle nicht dazu beitragen, dass “die Demokratie von unten noch mehr ausgehöhlt wird” als sie “von oben schon ausgehöhlt wird.” Der Beitritt zum “Tras” sei zudem keine kommunale Aufgabe im Sinne der Gemeindeordnung. Er habe das Thema nur deshalb im Rat zugelassen, weil es bereits 2004 Thema war. Angesichts des Ergebnisses der Abstimmung behielt er es sich vor, dem Beschluss zu widersprechen.

 © 2006 Badische Zeitung