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Aktennotiz

Fessenheim

Breisach am Rhein, Dienstag, 11. April 2006

Öffentliche Sitzung der Gemeinderäte der Stadt Breisach am Rhein
(Auszug)

Anwesend: Der Bürgermeister Alfred Vonarb, alle Gemeinderäte von Breisach, Vertreter der Stadtverwaltungen, der Presse sowie ca. 36 Zuhörer, von denen die zu Beginn der Sitzung geehrten Blutspender nach Überreichung der Urkunden den Saal verlassen haben..

TOP. 4 Antrag der SPD-Gemeinderatsfraktion auf Beitritt der Stadt Breisach am Rhein zum Trinationalen Atomschutzverband TRAS.

19:12 Bürgermeister Alfred Vonarb versichert, den Gemeinderäten als Anlage zu den Beratungsunterlagen alles „über was wir verfügen“ beigelegt zu haben. Das Thema Fessenheim beschäftigt die Region seit langem und er habe viele Reaktionen und Antworten zusammengetragen.
Schon im Mai 2004 ist Fessenheim auf breiter Ebene im Gemeinderat behandelt worden. Jetzt ist die Diskussion frisch entflammt und die Forderung nach Abschaltung wird erneut gestellt.
Es folgt eine kurze Vorstellung der Organisation TRAS mit dem Hinweis, Details könnten den Beratungsunterlagen entnommen werden. Die genaue Bezeichnung könne er nicht nennen, man möge ihm zugestehen, einfach nur TRAS sagen zu dürfen.
Bürgermeister Alfred Vonarb räumt ein, dass es sich um ein sehr ernstes Thema handelt, zu dem es unterschiedliche Auffassungen gibt. 2004 herrschte die Auffassung, Fessenheim müsse sofort stillgelegt werden. Heute gibt es Gemeinden, die TRAS beitreten und es gibt Gemeinden, die TRAS ablehnen.
Anschließend erläutert er die Auffassung von Maurice Zimmerle, Bürgermeister von Neuf-Brisach, welche dieser im Rahmen der gemeinsamen Sitzung vom letzten Dienstag detailliert vorgetragen hatte.
Die Verwaltung der Stadt Breisach macht den Vorschlag, an dem Beschluss von 2004 festzuhalten. Die Frage sei nur, wie?
Fessenheim liegt auf französischem Gebiet und unterliegt nicht deutschem Einfluss. Auf Bundesebene ist der Atomausstieg beschlossen und gilt, weil bisher nicht anders verlautet, auch für die jetzige Regierungsperiode. Auf Landesebene werden längere Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke angestrebt. In Frankreich gibt es gar keine Ausstiegsplanungen. So laufen zurzeit Bestrebungen, die Laufzeit von Fessenheim um weitere 10 Jahre zu verlängern.
Auf lokaler Ebene gibt es Bemühungen des Landkreises und der Bürgermeister auf politischem Weg eine Lösung zu erreichen. Diese Bestrebungen gibt es schon lange und bisher ist auf diesem Weg nichts erreicht worden.
Der Beschluss des Breisacher Gemeinderates vom Mai 2004 ist an die Bundesregierung und an die Landesregierung weitergeleitet worden. Die Antworten sind den Beratungsunterlagen beigefügt. Das Umweltministerium habe festgestellt, dass man auf die französische Seite keinen Einfluss habe.
Die 2004 gesammelten Unterschriften in Nieder- und Oberrimsingen sind an das Bundeskanzleramt geschickt worden. Bisher sei keine Reaktion eingetroffen.
Anschließend wird der Briefwechsel des CDU-Landtagsabgeordneten Gundolf Fleischer mit dem Umweltminister Sigmar Gabriel kommentiert.
Außerdem sieht der Bürgermeister in einem Beitritt wenig Sinn, da die Mitglieder kein Mitbestimmungsrecht haben.
Aufgrund dieser Tatsachen hat die Verwaltung den Vorschlag erarbeitet, dem Verband CLS beizutreten. Da es um die Sicherheit der Bevölkerung geht, ist es wichtig präsent zu sein. Ein Beitritt zu TRAS käme einer Kriegserklärung gleich, da die beiden Verbände völlig unterschiedlich sind. 
Sollte der Gemeinderat dem Beitritt zu CLS nicht zustimmen, dann könne über einen Beitritt zu TRAS nachgedacht werden.
„Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht die Entscheidungsgewalt haben!“

19:24 Gemeinderat Frank Kreutner (SPD) begründet in sachlichen Sätzen, warum ein Beitritt zu TRAS sinnvoll ist.
Die SPD Fraktion kann dem Beschlussvorschlag der Verwaltung nicht zustimmen weil:
1: Der eigentliche Antrag der Fraktion auf einen Beschluss zur Mitgliedschaft zum Trinationalen Atomschutzverband Tras in dieser Beschlussvorlage nur unzureichend berücksichtigt ist
2: Unserer Auffassung nach werden in diesem Beschlussvorschlag Bezüge zwischen der Überwachungskommission des Kernkraftwerks Fessenheim CLS und der Tras hergestellt, die inhaltlich in dieser Form nicht nachzuvollziehen sind.
Dazu folgende nähere Erläuterung.
Gegen die in Ziffer 1 des Beschlussvorschlages beantragte Mitgliedschaft bei der Überwachungskommission CLS kann von der Sache her sicherlich nichts eingewendet werden. Mit dieser Mitgliedschaft mag der Informationsaustausch zwischen den Kraftwerksbetreibern und der Bevölkerung verbessert werden. Allerdings ist der Landkreis bereits Mitglied, Information der Gemeinden sollte also gesichert sein.
Die unter Ziffer 2 des Beschlussvorschlages angedeutete Möglichkeit, dass dem Antrag auf Aufnahme in die CLS nicht stattgegeben werden könnte und man dann erneut über einen Beitritt zu TRAS nachdenken würde, ist reine Augenwischerei. Wenn inzwischen bereits der Landkreis Mitglied ist, dann dürfte es auch kein Problem sein, dass die interessierten Gemeinden auf deutscher Seite beitreten können, zumal das ja auch vom Ministerpräsidenten offensiv beworben wird. Der Hinweis in Ziffer 2 hat unserer Auffassung nach keine realistische Grundlage und stellt eine rein hypothetische Möglichkeit dar.
Im Übrigen wäre es ein politischer Skandal, wenn Gemeinden von einer Mitarbeit bei der CLS ausgeschlossen wären, nur weil sie Mitglied bei Tras sind!
In aller Deutlichkeit muss darauf hingewiesen werden, dass die Überwachungskommission CLS und der Verband Tras völlig unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen.
Bei der CLS handelt es sich um eine unabhängige Überwachungskommission, die den laufenden Betrieb des Kernkraftwerkes begleitet und im Wesentlichen zur besseren Information der Bevölkerung beitragen soll
Die TRAS hingegen hat es sich zum Ziel gesetzt, auf eine möglichst baldige Stilllegung des Kernkraftwerkes in Fessenheim hinzuarbeiten. Damit verfolgt die Tras von der Sache her dasselbe Ziel, das auch der Breisacher Gemeinderat in seiner Sitzung vom 11.5.2004 einstimmig beschlossen hat, nämlich dass aus Sorge um die Sicherheit seiner Bevölkerung die Abschaltung des Kernkraftwerkes Fessenheim gefordert wird. Dieser Gemeinderatsbeschluss sollte bei unserer heutigen Entscheidung nicht aus den Augen verloren werden.
Zu Ziffer 3 des Beschlussvorschlages:
Die Verwaltung wird dazu aufgefordert den Bundesumweltminister und den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg aufzufordern, im Sinne des Gemeinderatsbeschlusses vom Mai 2004, also im Sinne einer Abschaltung des Kernkraftwerkes, tätig zu werden.
Hierzu folgendes Zitat aus einem Brief des Ministerpräsidenten Günther Öttinger an den Landtagsabgeordneten Gundolf Fleischer. Datum des Briefes ist der 20. August 2005: "Wir müssen vermeiden, aus lokalpolitischen Gründen eine Stilllegung der grenznahen französischen Kernkraftwerke zu fordern, während wir zugleich für Laufzeitverlängerungen bei den deutschen Anlagen kämpfen." Diese Aussage macht deutlich, dass man auf keinen Fall auf eine Unterstützung unseres Anliegens von Seiten der Landesregierung hoffen darf!
Fazit der SPD-Fraktion:
Wenn wir es mit unserer Forderung nach Stilllegung des Kernkraftwerkes Fessenheim wirklich ernst meinen, müssen wir mehr tun, als bei der Überwachungskommission CLS mitzuwirken, und wir müssen auch mehr tun, als bei Bundes- oder Landespolitikern die Unterstützung unseres Anliegens einzufordern.
Es muss ein lokalpolitisches Zeichen gesetzt werden. Mitgliedschaft bei Tras kann ein solches Zeichen sein. Die SPD-Fraktion ist auch der festen Überzeugung, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung zu Recht ein solches Signal von uns erwartet.
Deshalb folgender Antrag der SPD-Fraktion auf Änderung des Beschlussvorschlages.
Der erste Halbsatz der Ziffer 2 des Beschlussvorschlages soll ersatzlos gestrichen werden. Ziffer 2 des Beschlussvorschlags würde somit lauten:
"Der Gemeinderat beschließt den Beitritt zum Trinationalen Atomschutzverband der Bevölkerung um das AKW Fessenheim."
Weiterhin beantragen wir, dass die neu formulierte Ziffer 2 als weitergehender Antrag zuerst behandelt werden soll.
Am Ende seiner Ausführungen applaudieren Zuhörer.

19:30 Gemeinderätin Monika Mack (CDU) meint: „Gut, wir haben den Beschluss 2004 mit herbei geführt!“ Jetzt geht es darum, auf welche Art und Weise man sein Ziel erreichen kann. Sie findet es sei verfrüht, jetzt TRAS beizutreten. Auch darf man nicht vergessen, dass wir 17% unseres Strombedarfs aus Fessenheim beziehen.

19:32 Gemeinderat Gerd Müller (ULB) stellt fest: „Die Forderung von 2004 bleibt bestehen.“. Dies ist auch eindeutiger Wille der Bevölkerung, was die Unterschriftenaktionen in Nieder- und Oberrimsingen belegen. Bei allen Versuchen auf Landes- oder Bundesebene etwas zu erreichen kommt nichts heraus. Frankreich wird sich auch in Zukunft nicht von außen in seiner Politik beeinflussen lassen. Da nützt eine Mitgliedschaft in CLS relativ wenig. Der Landkreis ist in dem Gremium schon vertreten. CLS hat bisher auch nur wenig erreicht.
2004 wurde, anhand erster Ergebnisse über die Untersuchung der Erdbebensicherheit, der Betreiber aufgefordert, entsprechende Nachrüstungen zu veranlassen. Dies sei mit der Begründung „zu teuer“ abgelehnt worden. „Was versprechen wir uns jetzt von CLS?“ fragt Gerd Müller. Der einzige Weg, auf dem etwas erreicht werden kann, ist der Klageweg. Neben Bad Krozingen und Freiburg ist auch der Kanton Basel Mitglied bei TRAS.
Die ULB unterstützt den Antrag der SPD auf Beitritt der Stadt Breisach zu TRAS!
Auch jetzt erfolgt ein kurzer Applaus.

19:36 Gemeinderat Dr. Rüdiger Groh (FDP/FWB) sagt, er habe am vergangenen Dienstag einen guten Bericht von Maurice Zimmerle zur Lage um Fessenheim gehört. Dennoch ist seine Fraktion der Auffassung, dass so viel geballte Nuklearenergie, trotz aller Sicherheitsbeteuerungen, heute nicht mehr haltbar sei. Darum auch hier die eindeutige Meinung: Fessenheim muss stillgelegt werden!
Den Beitritt zu CLS findet Herr Groh vernünftig, gibt aber zu, dass damit das Problem nicht gelöst werde. Er ist der Meinung dass TRAS als Streitgemeinschaft nicht wirksam gegen Fessenheim vorgehen kann. Zudem sei Axel Mayer ein Verfechter der ökologischen Flutungen und somit als Ansprechpartner inakzeptabel.

19:40 Gemeinderat Lothar Menges (SPD) korrigiert ein paar Zahlen. Ende der Betriebszeit ist nicht, wie irrtümlich angenommen, 2011 sonder 2017. Und eine zehnjährige Verlängerung bedeutet somit: Fessenheim bleibt bis 2027 am Netz!
Maurice Zimmerle habe in seiner Ansprache am vergangenen Dienstag die Sache etwas verherrlicht.
Mahnend erinnert Lothar Menges an den 20. Jahrestag von Tschernobyl.

19:43 Gemeinderätin Dr. Petra Breitenfeldt erinnert daran, dass TRAS auf dem Klageweg schon einmal erfolgreich in Frankreich gegen die Atomindustrie gewesen ist.
Anschließend erinnert sie den Bürgermeister und die Stadträte an den von ihnen bei Amtsantritt geleisteten Eid und liest diesen im Wortlaut vor.
Petra Breitenfeldt erinnert an die 20000 Menschen, die 1986 in Breisach gegen die Kernkraft demonstriert haben und von denen auch heute noch viele in der Stadt leben.
Vereinzelter Applaus aus den Reihen der Zuhörer.

19:45 Bürgermeister Alfred Vonarb wiederholt: Ein jeder hat das Recht persönlich zu entscheiden.
Frau Breitenfeldt verbietet er, ihm die Verpflichtungsformel vorzuhalten.
Die Zuhörer ermahnt er, Applaus und sonstige Bekundungen seien im Verlauf von öffentlichen Gemeinderatssitzungen nicht zulässig.
Anschließend weist er darauf hin, man müsse Rücksicht auf die Freunde aus dem Elsass nehmen. Er persönlich sehe in TRAS keine Möglichkeit der Einflussnahme bezüglich Fessenheim.

19:50 Gemeinderat Dr. Rüdiger Groh (FDP/FWB) bittet Frau Breitenfeldt um Übermittlung von Unterlagen. Diese werden ihm bereitwillig in Kopie hinübergereicht.

19:51 Gemeinderat Lothar Menges (SPD) hat inzwischen in den Statuten von TRAS nachgelesen und liest die Stelle vor, an der das Mitspracherecht der Mitglieder klar geregelt wird. Herr Vonarb liest nach und meint, er habe das anders verstanden.

19:52 Bürgermeister Alfred Vonarb ruft zur Abstimmung auf. Für den Antrag stimmen die Fraktionen der SPD (6 Stimmen) und ULB (4 Stimmen), dagegen die Fraktionen der CDU (11 Stimmen), der FDP/FWB (4 Stimmen) und Bürgermeister Alfred Vonarb (1 Stimme).

Ergebnis:   10 : 16 : 0   -   Somit ist der Antrag abgelehnt!

19:53 Die Delegation der Offenen Liste Niederrimsingen und zwei weitere Zuhörer verlassen den Sitzungssaal.

Aktennotiz von Gustav Rosa, Niederrimsingen - Zuhörer

Anmerkung: Es wurde versucht eine sinngemäße, neutrale und tatsachengetreue Wiedergabe niederzuschreiben.

 © 2006 Gustav Rosa