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Pressebericht

Fessenheim

Badische Zeitung vom Dienstag, 13. November 2007

"Das ist kein agitatorischer Verein"
Der Präsident des Trinationalen Atomschutzverbandes (Tras), Jürg Stöcklin, sprach auf Einladung der SPD in Heitersheim

Bildunterschrift

(FOTO: SABINE MODEL)

Von unserer Mitarbeiterin Sabine Model

HEITERSHEIM. Aller guten Dinge sind drei. Das hofft die SPD-Fraktion in Heitersheim, wenn sie in der nächsten Gemeinderatssitzung nach zwei gescheiterten Anläufen erneut die Mitgliedschaft der Stadt im "Trinationalen Atomschutzverband (Tras)" beantragt. Vorgeschaltet waren diesmal Informationen aus erster Hand, nämlich von Tras-Präsident Professor Jürg Stöcklin. Eine öffentliche Veranstaltung im "Löwen", die fraktionsübergreifend genutzt wurde.

Sechs Kilometer zwischen Heitersheim und Fessenheim machen das Thema Atomkraftwerk besonders aktuell und kontrovers, glaubt der Schweizer Biologe. Der Tras wolle die Bevölkerung vor Atomrisiken schützen, Rechte vor Schäden wahren, weitere Atomkraftwerke verhindern und erneuerbare Energien forcieren. Der Grund, warum man die älteste Atomanlage Frankreichs von 1977 so ins Visier nehme, seien Probleme in der Informationspolitik, die Lage im erdbebenaktivsten deutsch-französischen Bereich, der einfache Betonschutzmantel und der offene Wasserkreislaufs, der jährlich 2,5 Milliarden Rheinwasser (acht Prozent der mittleren Wasserführung) erwärmt. Die veralteten Genehmigungen für Emissionen und Wasserentnahme machten das AKW illegal und heute nicht mehr genehmigungsfähig, so Stöcklin.

Gefahren drohten durch mögliche Flugzeugabstürze, Erdbeben und Überschwemmungen, durch Risse, unzureichend dimensionierte Sumpfsiebe und Kabelschäden im Sicherheitssystem, führte er weiter aus. Bei lebhaftem Südwestwind ziehe im Katastrophenfall eine 370 Kilometer lange Schadensfahne bis Würzburg und Nürnberg. Erster Erfolg der Gegenmaßnahmen sei eine Klageberechtigung, die von den Aufsichtsbehörden eingeräumt wurde. Selbst die Sicherheitsbehörden verlangen in einem internen Dokument Nachrüstungen, die aus Kostengründen von der Électricité de France (EdF) nicht erfüllt würden, so der Professor. Eine neutrale Schweizer Studie besage, dass das Erdbebenrisiko in Fessenheim wesentlich größer sei als beim Bau angenommen. Ein Expertengutachten soll bis Ende des Jahres vorliegen.

Die Grundsatzargumente des Rechtsverfahrens, so Stöcklin, seien untragbare Risiken und der Verstoß der EdF gegen französisches und europäisches Recht. Das Rechtsverfahren beginnt deshalb im ersten Schritt mit einem Schreiben an den französischen Industrieminister und der Forderung, das AKW Fessenheim stillzulegen. In einem zweiten Brief werde man ergänzende polizeirechtliche Maßnahmen und mehr Schutz für Mensch und Umwelt reklamieren. Werde das abgelehnt, sei das Grundlage für eine Verleumdungsklage. Der dritte Schritt wäre die Klage bei der europäischen Kommission, weil Rechtsvorschriften der EU im Gewässerschutz verletzt werden. Notfalls gehe man bis zum europäische Gerichtshof. Das alles könne freilich Jahre dauern.

Trotz allem war Stöcklin optimistisch. Der Atomstromanteil beim Energieverbrauch liege weltweit nur bei 2,4 Prozent. Von Atom-Renaissance könne keine Rede sein. Atomkraft sei nicht zukunftsfähig. AKW-Neubauten glichen Stilllegungen nicht annähernd aus. Gleichzeitig gehe das Erdöl zur Neige, was bereits politisch spürbar sei. Erneuerbare Energien gebe es jedoch genug. In 20 Minuten strahle die Sonne so viel Energie auf die Erde, wie die Welt in einem Jahr verbrauche. Auch Wind sei unerschöpflich. Entsprechende Technologien boomen und werden billiger. Hauptproblem sei der politische Wille, Anreize, Netzkapazitäten und Netzeigentum zu regeln.

Diskussionsleiter Dieter Hennig zog das Fazit, der Tras sei kein agitatorischer Verein und eine Mitgliedschaft berge nachweislich keine Risikohaftung durch Prozessführung. Die SPD-Fraktion sei beigetreten. Fraktionskollege Harald Höfler fand, jedes AKW sei eines zu viel und Wohlstand auf dem Rücken künftiger Generationen auszutragen unverantwortlich. Der Landtagsabgeordnete Christoph Bayer appellierte, den Tras zu entideologisieren und breite gesellschaftliche Bündnisse mit politischer Rückendeckung zu bilden. "Jede Laufzeitverlängerung ist eine Gefahrenverlängerung", mahnte er.

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