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Pforzheimer Zeitung, 31. Januar 2004
"Fessenheim ist nicht mehr kontrollierbar"
FESSENHEIM.
Der Reaktor Nummer eins des Atomkraftwerks Fessenheim ist vorübergehend stillgelegt. Wachs war aus bisher ungeklärten Gründen in den Primärkreislauf gelangt. Sieben Mitarbeiter wurden - wie berichtet - leicht verstrahlt, eine Gefahr für die Bevölkerung bestand nicht.
"Ein solcher Zwischenfall hat sich meines Wissens bisher noch nie bei einem Atomkraftwerk (AKW) ereignet." Für Jean Paul Lacote vom Umweltschutzverband BUND in Freiburg ist der erneute Zwischenfall beim AKW in Fessenheim ein weiterer Grund für die Forderung, das 1977 ans Netz gegangene Werk so schnell wie möglich abzuschalten. Denn: "Fessenheim ist nicht mehr kontrollierbar."
Doch hat es diesmal nicht am Alter der Anlage gelegen, dass der Reaktor eins am Sonntagabend vom Netz genommen wurde. Ein menschliches Versagen soll nach Angaben des Betreibers EDF dazu geführt haben, dass Wachs in den Primärkreislauf des Reaktors gelangt war und dort Filter verstopft hatte. Wachs, das normalerweise in einem chemischen Prozess selbst zum Filtern der Radioaktivität verwendet wird.
Schon am Samstag war der Fehler bemerkt worden.. Erst am Sonntag wurde jedoch der Reaktor still gelegt. "Wahrscheinlich haben in der Zwischenzeit die sieben leicht verstrahlten Mitarbeiter versucht, das Problem zu beheben", sagt François Gauché. Er leitet die Abteilung für Atomsicherheit bei der staatlichen Aufsichtsbehörde DRIRE in Straßburg. Er geht zunächst davon aus, dass sich die Betreiber des AKW Fessenheim nach Vorschrift verhalten haben. "Natürlich prüfen wir das jetzt", ergänzt er. Das Bemerken eines Fehlers verlange nicht in jedem Fall eine sofortige Stilllegung des Reaktors.
Bei den geschädigten Mitarbeitern handelt es sich um die Personen, die versuchen sollten, den Zwischenfall zu beheben. "Die radioaktive Verseuchung ist eine interne, das heißt nicht durch Strahlen verursachte", erklärt Gauché. Eine Gefahr für die Bevölkerung habe durch die Störung nicht bestanden. Über Dämpfe oder Staub sei die Radioaktivität in die Körper der Mitarbeiter gelangt. Man habe sie direkt zur ärztlichen Behandlung gebracht, heißt es in einer Stellungnahme des AKW. Eine Gefahr für ihre Gesundheit habe nicht bestanden.
"Das zeigt aber wieder, wie verschleiernd die Informationspolitik von Fessenheim ist", betont Lacote. Selbst wenn die Dosis Radioaktivität nicht sehr hoch gewesen sei: Radioaktivität sei immer schädlich. Er beklagt auch die Langsamkeit, mit der das AKW mit der Meldung des Vorfalls an die Öffentlichkeit getreten ist. "Die Meldung ist erst jetzt bekannt gegeben worden, wo die Vorfälle sich doch schon am Wochenende ereignet haben."
Schneller als die Öffentlichkeit wurden die örtlichen Politiker informiert. "Am Montag habe ich Bescheid bekommen", sagt Alain Foechterlé, Bürgermeister von Fessenheim. Für ihn ist die Präsenz des immer wieder von Pannen heimgesuchten Atommeilers kein Problem. "Ich habe Vertrauen zu der Professionalität, mit der in dem Werk gearbeitet wird", unterstreicht er.
Der Reaktor Nummer eins bleibt vorerst ausgeschaltet. "Bis die Betreiber von Fessenheim uns davon überzeugen können, dass alles wieder nach Vorschrift funktioniert", sagt Gauché. Ob das Tage oder eher Wochen dauern wird, konnte er nicht einschätzen.
Kay Wagner
Quelle: http://www.pz-news.de/suedwest/43309/
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