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Badische Zeitung vom Samstag, 6. November 2004
Abstrus - Zeitbombe
Zum Artikel "Jodtabletten werden neu verteilt" vom 27. Oktober schreiben Leser:
Abstrus
Die Atomkraftwerksbetreiber lassen sich scheinbar nicht lumpen, wenn es darum geht, den Eindruck zu erwecken, einer atomaren Katastrophe könne mit der Produktion und Lagerung von Jodtabletten beikommen.
Aber welches abstruse Gedankenspiel treibt Menschen dazu, die scheinbar rettenden Pillen für beispielsweise uns Schönauer Bürger, die rund 26 Kilometer Luftlinie vom Pannenreaktor entfernt leben, in einem 170 Kilometer entfernten Lager bei Karlsruhe zu deponieren? Muss man sich also hier in Schönau aufmachen, der giftigen radioaktiven Wolke zunächst westlich ein Stück weit entgegen und dann durch sie hindurch nordwärts fahren, damit man sich in Eggenstein-Leopoldshafen die Jodtabletten abholen kann, die eventuell vor Schilddrüsenkrebs hätten schützen können, hätte man sie nur rechtzeitig einnehmen können ... Dies gilt natürlich nicht nur für Schönau. Und den übrigen Gefahren, die durch all die anderen Radio-Isotope hervorgerufen werden, mit der uns eine Giftwolke einhüllen kann, könnte man selbst mit einer rechtzeitig eingenommenen Jodtablette nicht begegnen. Wer sich so etwas ausdenkt, darf nicht im Ernst damit rechnen, dass solchen Katastrophenschutz-"Plänen" auch nur ein Fünkchen Vertrauen entgegengebracht wird.
Ursula Sladek, Schönau
Zeitbombe
Seit Jahren sitzen Hunderttausende von Bürgern links und rechts des Rheines nahe Fessenheim auf einer tickenden Zeitbombe. Jederzeit kann sie losgehen. Davor wollen uns unsere Politiker nun durch Ausgabe von Jodtabletten schützen. Das ist absurdes Theater, weil Fürsorglichkeit makaberer wohl nicht ausfallen kann.
Die Unglücksfälle in Fessenheim haben sich im letzten Jahr dramatisch gehäuft, der Betonmantel des Reaktors hat unzählige Haarrisse, wie jeder weiß. Dagegen sollen Tabletten helfen? Die Politiker haben einen Eid geschworen darauf, dass sie die Bevölkerung vor allem Übel bewahren. Getan wird aber effektiv nichts.
Wieso schaffen es unsere Politiker nicht, diesen Skandal endlich vor den europäischen Gerichtshof zu bringen, wenn sie selbst zu feige zum Handeln sind oder den Konflikt mit Paris scheuen. Vielleicht aber sitzen sie nur wiedermal im Aufsichtsrat der betreffenden Stromgesellschaft, und da ist ihnen der volle Geldbeutel wichtiger als die atomare Verstrahlung.
Klaus Irion, Freiburg
© 2004 Badische Zeitung