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Badische Zeitung vom Donnerstag, 25. November 2004
KOMMENTAR
Logistisches Abenteuer
Sollten aus dem AKW Fessenheim, einem der ältesten Frankreichs, größere Mengen Radioaktivität frei werden, helfen Jodtabletten nur unwesentlich mehr als Gebete oder sich mit einer Zeitung bedeckt unter den Tisch zu kauern. Zumindest eines aber können die 65-Milligramm-Pillen aus Kaliumjodid: das Risiko senken, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken. Wenigstens bei den Jüngeren. Bei geringeren Mengen Radioaktivität ist die Einnahme der Tabletten sinnvoll. Voraussetzung: Die Betroffenen schlucken sie rechtzeitig.
Deshalb ist es fahrlässig vom Bundesumweltministerium, auf eine sofortige und flächendeckende Verteilung der Dragees an die Leiselheimer, Jechtinger und Kiechlinsbergener, besser noch: an alle Menschen im Landkreis, zu verzichten. Denn im Notfall sind zwei Faktoren besonders wichtig: eine gute Vorbereitung und die Zeit. Wer kann voraussehen, wie lange die Radioaktivität bis in den Landkreis bräuchte? Eine Stunde, fünf Stunden, einen Tag? Besser ist es daher, die Pillen gleich in der Hausapotheke zu haben, statt sich im Katastrophenfall auf logistische Abenteuer einlassen zu müssen. Nicht einmal das Regierungspräsidium Freiburg weiß, wie lange es dauert, die Jodpillen aus dem Zentrallager bei Karlsruhe in Lastwagen zu laden, über die Autobahn zu fahren, auszuladen und zu verteilen. Im Unglück brechen Menschen in Panik aus. Dann auf eine geregelte, gelassene Verteilung zu hoffen, ist blauäugig.
© 2004 Badische Zeitung