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Fessenheim

Badische Zeitung vom Montag, 6. Dezember 2004

Das unsanfte Wecken um 2.52 Uhr


Nach dem Erdbeben riefen in der Nacht zum Sonntag Tausende die Polizei an / BUND: Fessenheim schnellstmöglich stilllegen

Bildunterschrift
Wolfgang Brüstle (links), der Leiter des Freiburger Erdbebendienstes, zeigte am Sonntag die seismographische Aufzeichnung vom Erdbeben.

FREIBURG (BZ/dpa). Die einen hörten ein Grummeln, andere spürten einen Schlag, etliche sogar deren zwei, einige vernahmen, wie ihr Geschirr schepperte und ihre Gläser klirrten. Allen war gemeinsam: Sie wurden in der Nacht zum Sonntag um 2.52 Uhr unsanft geweckt. Und für viele war da die Nacht zu Ende, als sie im Rundfunk vom schweren Erdbeben in Südbaden hörten, das die für diese Region seltene Stärke von 5,4 auf der Richterskala erreicht hatte. Nicht wenige fürchteten, das eine Beben könnte in dieser Nacht nicht das letzte gewesen sein.

Tatsächlich hat die Erde weitergebebt - aber nicht mehr so heftig wie kurz vor drei Uhr nachts mit dem Zentrum zwölf Kilometer unter Waldkirch. "Mehr als 100 kleine Nachbeben" verbuchte Wolfgang Brüste, der Leiter des Erdbebendienstes beim Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau in Freiburg, bis Sonntagnachmittag. Das stärkste Nachbeben ereignete sich um 3.51 Uhr, 59 Minuten nach dem schweren Schlag, es erreichte noch 2,7 auf der 

Richterskala. Die folgenden Beben waren dann so schwach, dass sie von den meisten Menschen nicht mehr registriert wurden.

Beben dieser Stärke und Dauer sind, so Wolfgang Brüstle, "in Baden-Württemberg nirgendwo mit Sicherheit auszuschließen". Allerdings gebe es "regionale Unterschiede der Eintrittswahrscheinlichkeit". Sicher sei, dass dieses Beben mit der Stärke 5,4 nichts zu tun habe mit dem fast gleich starken Beben vor knapp zwei Jahren mit dem Epizentrum St. Dié/Epinal in den Vogesen. Überrascht hat den Freiburger "Erdbebenpapst" am gestrigen Sonntag aber, das das Beben in der Nacht in Südbaden so wenig Schäden verursacht hat.


"Im Erdbebengebiet kann man Atommüll nicht aufbewahren!" 

Etliche Häuser hätten "geschwankt", berichteten Waldkircher Mitbürger, es habe das Fachwerk geknirscht, der Dachstuhl geächzt. Am Sonntag fuhren Fernsehteams durch die Stadt auf der Suche nach sichtbaren Schäden, sogar aus New York gab es eine Medienanfrage. In Denzlingen erlitt eine aus dem Tiefschlaf aufgeschreckte Frau einen Kreislaufkollaps, als sie in panischer Angst aus dem Bett sprang. Eine Freiburger Frau hatte das Gefühl, es sei ein Güterzug durch ihre Wohnung gefahren. Andere vermuteten einen Flugzeugabsturz, ältere Mitbürger fühlten sich gar in die Nächte der Bombenangriffe zurückversetzt.

Vor allem in der Rheinebene fürchteten etliche, das Kernkraftwerk in Fessenheim sei explodiert. Doch dort habe man das Erdbeben kaum registriert, versicherte am Sonntag Guy Escoffier, der am Wochenende amtierende Chef des ältesten französischen Kernkraftwerks. Nach seiner Darstellung war das Erdbeben trotz der Stärke von 5,4 auf der Richter-Skala "zu schwach", um im Atomkraftwerk einen Alarm oder gar das Herunterfahren der Reaktoren auszulösen.

Dem Regionalverband Südlicher Oberrhein des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland lieferte diese Mitteilung zu wenig Entwarnung: Regionalgeschäftsführer Axel Mayer erneuerte umgehend seine Forderung, alle Bauten und Industrieanlagen am Ober- und am Hochrhein, von denen Gefahren ausgehen könnten, auf Erdbebensicherheit zu überprüfen und das "altersschwache AKW Fessenheim schnellstmöglich abzuschalten". Zudem könne "in einem Erdbebengebiet kein Atommüll für eine Million Jahre sicher aufbewahrt werden". Die Pläne für ein atomares Endlager in Benken seien deshalb "gefährlich und verantwortungslos".

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