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Badische Zeitung vom Donnerstag, 18. Mai 2006
Asyl für den Präsidenten
Brückenschlag am Oberrhein
Bei alternden Potentaten weiß man nie: Stehen sie lieber allein auf der Bühne, weil ihnen dann niemand die Schau stiehlt? Oder schmollen sie, weil sich keiner kümmert? Dass sich keiner um den französischen Staatspräsidenten kümmert, wenn der am Samstag zwischen Hart- und Fessenheim eine neue Rheinbrücke einweiht, kann man ja nicht behaupten. Aus Oberkirch kommt extra Willi Stächele angereist, um Jacques Chirac auf der Brücke feierlich die Hand zu schütteln. Willi wer? Das fragt sich nicht nur Chirac. Auch in Südbaden weiß noch nicht jeder, dass der Mann die rechte Hand des Ministerpräsidenten Oettinger ist. Immerhin. Aber was ist mit Oettinger selbst? Oder der Kanzlerin? Oder Horst Köhler? Die haben, hört man, alle keine Zeit. Was dreierlei beweist: Für deutsche Potentaten liegt Südbaden ziemlich weit weg, irgendwo in Ostfrankreich. Zweitens: Es ist gerade nirgendwo Wahlkampf, denn sonst gäbe es auf der Brücke ein statikgefährdendes Prominentengetümmel. Drittens, und hier könnte der Besucher aus Paris ins Grübeln kommen: Offenbar ist Monsieur le Président den Deutschen nicht mehr wichtig genug, weil alle Welt schon auf auf seine Pensionierung wartet. Da kommt Stächele wie gerufen. Beide, Jacques und Willi, verstehen was vom Wein. Und so wie sich de Gaulle 1968 in Baden-Baden vom Stress daheim erholt hat, könnten die beiden am Samstag Oberkirch ansteuern, einen guten Roten aufmachen und die Leute einfach reden lassen.
Stefan Hupka
© 2006 Badische Zeitung