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Waldkirch, Dienstag, 17. Oktober 2006
Informationsveranstaltung zum AKW Fessenheim für Bürgermeister und Gemeinderäte
Anwesend: Der Bürgermeister der Stadt Waldkirch, Richard Leibinger, Dr. Rudolf Rechsteiner und Axel Mayer (Vizepräsidenten TRAS), Christian Küppers (Öko-Institut Freiburg-Darmstadt, Mitglied der DFK) Jean Paul Lacôte (Beisitzer TRAS, Mitglied im Vorstand der Kontrollkommission), die Presse sowie ca. 80 Gäste, darunter zahlreiche Bürgermeister und Gemeinderäte.
20:03 Bürgermeister Richard Leibinger begrüßt die zahlreichen Gäste, die seiner Einladung gefolgt sind. In einleitenden Worten stellt er die neue Energiepolitik der Stadt Waldkirch vor. Auf dem Weg weg von der Atomenergie hat man Zeichen gesetzt: Beitritt zu TRAS, Übernahme des Elektrizitäts- und des Gasnetzes.
20:06 Dr. Rudolf Rechsteiner referiert über die Entstehungsgeschichte und die Ziele von TRAS. Der Tagungsort war in der Nacht zum Sonntag, 4 Dezember 2004, Schauplatz eines Erdbebens, das nicht nur die Bürger von Waldkirch in Schrecken versetzt hatte. Mit einer der Hauptgründe, warum etwas für die Stilllegung des KKWs Fessenheim unternommen werden musste.
Mit Corinne Lepage, Rechtsanwältin und ehemalige (konservative) Umweltministerin von Frankreich, habe man eine engagierte und kompetente Persönlichkeit verpflichten können, welche die Ziele von TRAS auf dem gesetzlichen Weg erreichen möchte.
Allen sei klar, dass Fessenheim nicht schon heute oder morgen abgeschaltet werden kann. Mann muss aber jetzt etwas unternehmen, um dieses Ziel zu erreichen.
Der TRAS ist für die grenzübergreifende Vertretung von Gemeinden, Organisationen und der
Bevölkerung gedacht. Grundkonzept ist der Weg weg von der Kernenergie hin zu neuen, alternativen
Lösungen. Wir brauchen keine neuen AKWs.
In der Schweiz ist der Strompreis in den letzten Jahren trotz Verzichtes auf den Ausbau der Atomkraft um ca. 5 Rappen pro KWh gefallen.
Herr Rechsteiner weist erneut auf die Bedrohung der Erdbebengefahr entlang des Oberrheingrabens hin. Trotz gesetzlicher Verpflichtungen verweigern die Betreiber des KKWs den Kontrollkommissionen die Einsicht in die Unterlagen und Studien zur Erdbebensicherheit. Fr. Lepage hat festgestellt, dass wichtige Genehmigungen nicht vorhanden sind. Der TRAS kann vom Industrieminister Frankreichs verlangen, dass Fessenheim umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen durchführen muss. So will der TRAS versuchen, den Weiterbetrieb – wegen Durchführung teurer Maßnahmen – unrentabel zu
gestalten.
Die Gemeinde Weisweil will wegen Temperaturüberschreitungen des Rheinwassers über ihre
Fischereiverbände klagen.
„Wir besitzen ein klares Konzept, wo wir bei der Stromversorgung hin wollen.“, sagt Herr Rechsteiner. Trotz weltweiter Zunahme des Stromsverbrauchs ist eine Abnahme der Atomkraftwerke zu
verzeichnen. Dass mit Kernenergie der CO2-Ausstoß signifikant reduziert werden kann, ist nicht reell. Die Prognosen der Energielobby (Energieagentur Paris) sind vollkommen falsch.
Zu den neuen Technologien zählt auch die Geothermie. Herr Rechsteiner stellt das Projekt „Deep Heat Mining“ vor. Mit Tiefenbohrungen bis zu 5000m werden 230° heiße Wasserquellen angezapft und über einen Kreislauf hochgepumpt. Mit dem an der Erdoberfläche noch 200° heißen Wasser wird Strom
erzeugt, die Restwärme über einen Wärmetauscher in das Fernheizungssystem eingespeist.
Ein weiterer Energieträger ist die Holzwärme.
Große Zukunft hat auch die Windenergie. Vorstellbar seien auch große Turbinen auf dem offenen Meer, wo Wind regelmäßig weht und wo keine Nachbarschaft stört.
Und letztendlich sei der Solarstrom auf dem Vormarsch. In wenigen Jahren werden
Photovoltaikanlagen konkurrenzfähig günstigen Strom liefern.
Inzwischen ist die Stromtransporttechnik so weit fortgeschritten, dass mit nur 4-5%-igem Verlust Strom über sehr weite Strecken geleitet werden kann.
20:41 Fragen aus dem Publikum.
Frage: Warum gibt es kaum Beitritte aus Frankreich?
Herr Rechsteiner: Fessenheim und die EDF üben finanziellen Druck aus. Daraus entsteht Angst, die einen Beitritt verhindert.
Frage: Warum spricht TRAS nur über Fessenheim? Was passiert mit den anderen KKWs?
Herr Rechsteiner: Alte AKWs werden in den kommenden Jahren eh abgeschaltet.
Frage (BM von Denzlingen, Dr. Lothar Fischer): Ausdehnung auf andere Kernkraftwerke, Euroreaktor?
Herr Rechsteiner: Man würde sehr gerne weitere Aktionen starten, dazu fehlen aber die Mittel. Je mehr Gemeinden und Organisationen den TRAS unterstützen, desto mehr Projekte können verwirklicht
werden.
Neue Reaktoren werden zu teuer. Die EDF wollte den Euroreaktor nicht, aber die französische
Regierung hat sich dafür eingesetzt, um die staatlichen Betriebe zu unterstützen. Alle AKWs, die in den
letzten 20 Jahren gebaut wurden, weisen hohe Kostenüberschreitungen auf. Dieser Umstand und die
aufkommende Widerstandsbewegung deuten darauf hin, dass der EPR nicht in Fessenheim gebaut
werden wird.
Frage: Wie ist die CLS einzuschätzen?
Herr Rechsteiner: Die CLS wird ihrem Auftrag nicht gerecht. Es wird mehr verschwiegen als gesagt.
Nachfolgend wird Herr Lacôte als Insider dazu etwas sagen.
20:55 Christian Küppers vom Öko-Institut Freiburg-Darmstadt, Mitglied der deutschen Delegation der Deutsch-Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Anlagen (DFK) berichtet über seine Funktion und die damit verbundenen Aktivitäten. Er habe enorme Probleme gehabt, von der Betreiberorganisation aktuelle Unterlagen zu erhalten. Anhand der spärlichen und teilweise überalteten Dokumente und Pläne lautet sein Fazit: Die Sicherheit des Kernkraftwerks Fessenheim ist katastrophal!
Er spricht den Vergleich der deutsch-französischen Kontrollkommission an und zeigt am Beispiel „Flugzeugabsturzgefahr“, wie von französischer Seite Sicherheitsprobleme gelöst werden. Dazu zitiert er aus vorliegenden Dokumenten.
Als Bedrohung wurde in den 70-ger Jahren lediglich der damals öfters abstürzende Starfighter
angenommen. Da keines der Gebäude die notwendigen Sicherheitskriterien gegen einen Einschlag erfüllt und der nahe gelegene Nato-Militärflughafen eine akute Gefahrenquelle darstellte wurde eine
Überflugverbotszone mit Radius 3 km eingerichtet. Damit sei Fessenheim gegen einen Flugzeugabsturz abgesichert!? Aus heutiger Sicht und nach den Erfahrungen der Ereignisse vom 11 September 2001 die reinste Zumutung!
Ebenso ungenügend sei das Kernkraftwerk Fessenheim gegen ein Erdbeben abgesichert. Auch hier würden Gutachten entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse vorgelegt; die Geologie und
Tektonik des Oberrheingrabens willkürlich verändert.
Die bereits erfolgten Nachrüstungen seien eher als Flickschusterei zu bezeichnen; einen wirksamen Schutz gegen drohende Gefahren stellen sie nicht dar. Es sei aber falsch darauf zu bauen, dass
Nachrüstungskosten von mehreren 100000 € abschreckend auf die Betreibergesellschaft wirken würden. Es sei genügend Geld da.
Anschließend bemängelt Herr Küppers, dass für jedes bisher erstellte KKW die Sicherheitsvorschriften des Genehmigungsjahres gelten. So erfüllen besonders die älteren AKWs bei weitem nicht die heute geltenden Sicherheitsbestimmungen.
Abschließend gab Herr Küppers einen Einblick in die Folgen, die ein atomarer Unfall in Fessenheim hervorrufen würde. Die kurzfristig anfallenden Kosten schätzt er auf über 6000 Milliarden €. Dies wäre für Deutschland und Europa unbezahlbar. Langfristig können die Folgekosten gar nicht geschätzt
werden.
21:25 Jean Paul Lacôte
Herr Lacôte stellt die CLS vor. Ihr gehören drei Gruppen an: 10 Generalräte, 5 Bürgermeister von
französischen Gemeinden um Fessenheim und 5 Umweltverbände.
In den Augen der Umweltverbände ist die CLS nur da, um ein Gefühl von Sicherheit zu erzeugen. Die EDF diktiert den Informationsstrom, der weiter gegeben werden darf. So passiert es nicht selten, dass falsche Informationen verbreitet werden. Die hinzugezogenen Experten dürfen nichts sagen. Sie
wohnen den Sitzungen zwar bei, beantworten aber keine kritischen Fragen.
Herr Lacôte stellt fest, dass es in Deutschland den Versuch gibt, den TRAS gegen die CLS
auszuspielen. Mit der falschen Vorstellung, man könne Mitglied in der CLS werden, seien TRAS-Beitritte
verhindert worden. Dabei ist es für deutsche Gremien nicht möglich, der CLS beizutreten. Auch sei ein
Besuch der Sitzungen unattraktiv. Die fast ausschließlich in französischer Sprache geführten
Diskussionen und Streitgespräche erstrecken sich über 5 bis 6 Stunden und bringen einem deutschen Zuhörer fast nichts.
Wortmeldungen aus dem Publikum.
21:32 Dipl.-Ing. Dieter Ehret (stellv. BM Weisweil): Herr Ehret weist als Vertreter der Gemeinde
Weisweil darauf hin, wie schwierig es ist, von den Betreibern des KKWs Fessenheim Antworten auf
Sicherheitsfragen zu erhalten. Briefe würden nicht beantwortet; insgesamt gelte eine Hinhaltetaktik.
Daraus ist die Bereitschaft der Gemeinde Weisweil entstanden, Klage gegen Fessenheim zu erheben. In einem ersten Anlauf wird gegen die Überhitzung des Rheinwassers geklagt, worunter nicht nur die örtlichen Fischereiverbände zu leiden haben.
Herr Ehret bekräftigt seine Angst, dass in Fessenheim der Euroreaktor womöglich doch noch gebaut wird.
21:38 Bürgermeister Richard Leibinger weist auf den politischen Druck aus Stuttgart hin. Auch betont er, dass es wichtig sei, die Energiesparpolitik zu forcieren. Der Atomstrom muss auf ökonomischem Weg zurückgefahren werden. Erst wenn Kernenergie teurer als die alternative ist, wird dies
automatisch geschehen.
Herr Leibinger erzählt, wie im Elsass bei deutsch-französischen Zusammentreffen die französischen Bürgermeister fluchtartig den Saal verlassen, wenn von deutscher Seite das Thema Fessenheim
angesprochen wird.
21:47 Ein Zuhörer merkt an, dass es im Elsass sehr wohl engagierte Kernkraftgegner gibt. Er erinnert an die jüngste Unterschriftenaktion, an der sich inzwischen über 150 französische Mandatsträger
beteiligt haben.
21:50 Axel Mayer geht auf die Forderung ein, auch die schweizerischen Atomanlagen mit
einzubeziehen. Er verweist auf den bescheidenen Jahresetat von TRAS, der zwischen 40 und 50000 € liegt.
Damit kann man sich vorerst nur auf ein Projekt konzentrieren.
Die Gefahr durch den Neubau des Euroreaktors in Fessenheim sieht er durchaus als gegeben an.
Herr Maier bezeichnet den TRAS als ein seriöses, grenzüberschreitendes Bindeglied zwischen
Verbänden und Gemeinden. Er unterstreicht die Wichtigkeit, dass der TRAS ein parteiübergreifendes Echo auslösen soll.
21:57 Dr. Georg Löser (Energie- und Umweltbüro) spricht deutsche und französische Studien über
Reaktorsicherheit an.
21:59 Bürgermeister Richard Leibinger schließt die Veranstaltung. Er bedankt sich bei den Referenten und überreicht kleine Präsente. Zum Ausklang lässt er es sich nicht nehmen, die historische Drehorgel höchstpersönlich anzukurbeln.
22:03 Ende der Informationsveranstaltung.
Aktennotiz gefertigt in Breisach-Niederrimsingen, am 18.10.06 von Gustav Rosa, SPD-Ortsverband Breisach, Ortschaftsrat (Offene Liste Niederrimsingen), Zuhörer
© 2006 Gustav Rosa