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DER SONNTAG, 29.10.2006
Ahnungslosigkeit und Kalkül
Mit dem AKW-Fessenheim beschäftigen sich diverse Institutionen - ein Überblick
Von Alexander Huber
TRAS, CLS, DFK, EDF - wenn es um das elsässische Kernkraftwerk Fessenheim geht, schwirren die Abkürzungen. Kein Wunder, wenn manchem südbadischen Lokalpolitiker da schwindelt und in Gemeinderäten der Beitritt zu einer Institution beschlossen wird, der Deutsche gar nicht beitreten können - wie unlängst in Müllheim oder Auggen geschehen. Während man manchen schlicht partielle bis komplette Ahnungslosigkeit in der Sache attestieren muss, nutzen andere das Institutionen-Wirrwarr, um ihre energiepolitischen Ziele durchzusetzen.
Die beiden Institutionen, über die in der Vergangenheit hauptsächlich diskutiert wurde, sind der Trinationale Atomschutzverband (TRAS) und die Commission Locale de Surveillance (CLS). Ging es um die Frage, wie man von deutscher Seite aus auf das AKW Fessenheim Einfluss nehmen könnte, so wurde vor allem von CDU-Politikern in den Gemeinderäten die CLS als ,,politische" Alternative zum TRAS empfohlen. Doch das ist Unfug - zumindest dann, wenn man tatsächlich eine Abschaltung von Fessenheim erreichen möchte, wofür sich ja viele südbadische Lokalparlamente in der Vergangenheit bereits ausgesprochen haben.
Denn TRAS und CLS sind zwei komplett unterschiedliche Institutionen, mit völlig unterschiedlichen Aufgabenstellungen. Abgesehen davon, dass TRAS ein grenzüberschreitend agierender Verein mit Sitz in der Schweiz (Basel) ist und die CLS zunächst einmal eine rein französische Angelegenheit, liegen die Ziele weit auseinander. Dem TRAS geht es dezidiert um die Abschaltung des umstrittenen Meilers, und dafür werden dort alle Kräfte mobilisiert. Die CLS ist - wie der Name schon andeutet - eine Kontrollkommission. Zwar sind dort Vertreter von fünf Umweltorganisationen Mitglied, die sich sehr für die Abschaltung des AKW engagieren, aber eben auch fünf Bürgermeister aus Fessenheim und Umgebung, die nun wahrlich nicht als Gegner des Kernkraftwerks bekannt sind. Hinzu kommen zehn Generalräte, vergleichbar deutschen Kreisräten, mit unterschiedlichen umweltpolitischen Positionen.
Zweimal im Jahr trifft sich die CLS mit Vertretern des Fessenheim-Betreibers EDF (Electricite de France) - und die Umweltschutzverbände kritisieren dabei regelmäßig die - vorsichtig ausgedrückt - zurückhaltende Informationspolitik des französischen Energie-Giganten.
Eher was für Masochisten
Um eine Abschaltung von Fessenheim zu erreichen - darin sind sich die elsässischen Gegner wie Befürworter des AKW einig - taugt die CLS nicht. Trotzdem ist man ein wenig stolz auf die Kommission, die 1977 parallel zur Inbetriebnahme des Werkes gegründet wurde. Die CLS war ein Zugeständnis an die erbitterten Gegner des Meilers, von denen sich einige mit einem Hungerstreik an die Schwelle des Todes gebracht hatten. Als Besonderheit betrachtet man auch, dass in der CLS keine Vertreter der Departementsverwaltung, also des Präfekten, sitzen, wie sonst in Frankreich bei derartigen Gremien üblich.
Gäste sind bei den Sitzungen der CLS in der Regel willkommen, natürlich auch aus Deutschland, doch eine Mitgliedschaft, etwa deutscher Gemeinden, ist nicht vorgesehen. Zwar gibt es Bestrebungen, den Austausch mit Südbaden zu intensivieren, worauf vor allem CDU-Regionalpolitiker wie unlängst der Landrat des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald Jochen Glaeser gerne verweisen. Doch der tatsächliche Nutzen dieses Austausches ist zweifelhaft. Kritiker höhnen, eine mehrstündige Sitzung mit Abhandlungen in französischer Sprache über kerntechnische Spezialfragen könne allenfalls masochistische Bedürfnisse befriedigen.
Dass die CLS trotzdem immer wieder ins Spiel gebracht wurde, um TRAS auszubooten, hat politische Gründe. CDU-Politikern wie dem Finanz-Staatssekretär Gundolf Fleischer ist TRAS ein Dorn im Auge, weil der Verein - so die offizielle Lesart - mit seiner aggressiven Art eine politische Lösung des Fessenheim-Problems verhindere. Für Fleischer ist TRAS ,,eine in der Schweiz gegründete Organisation von rot-grünen Aktivisten aus dem Raum Basel" - ungeachtet der Tatsache, dass bereits nicht ganz unbedeutende Städte der Region wie Freiburg Mitglied sind. Fleischer verweist zudem darauf, dass TRAS im Elsass selbst bislang kaum Resonanz bekommen hat. Das stimmt, auch wenn man über die Gründe dafür - je nach politischer Couleur - unterschiedlicher Meinung sein kann.
CDU-Mann Gundolf Fleischer setzt - wie er sagt - auf eine politische Lösung auf höchster Ebene und kann gleichzeitig mit dem nicht unberechtigten Verweis auf die Untätigkeit des alten Bundesumweltministers, Jürgen Trittin, und des neuen, Sigmar Gabriel, ein weiteres Ass aus dem Ärmel ziehen. Tatsächlich dürften Berliner Umweltpolitiker andere Sorgen haben als ein altersschwaches AKW im fernen Elsass.
Zudem gibt es ja - quasi als Alibi-Club - noch die DFK, die Deutsch-Französische Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Anlagen, die sich mit Atommeilern im deutsch-französischen Grenzgebiet beschäftigt. Diese Institution ist selbst vielen Insidern wohl lange verborgen geblieben. Im vergangenen Jahr kam sie kurzzeitig in die Schlagzeilen, als mit Christian Küppers ein Atomenergie-Experte und -Kritiker zum Mitglied berufen wurde. Die DFK tagt einmal im Jahr für ein paar Stunden, und Küppers selbst hält die Kommission für völlig nutzlos.
Angesichts dieser Gemengelage werfen Kritiker der Landes-CDU und ihrem prominentesten Vertreter in der Region, Gundolf Fleischer, taktisches Kalkül vor. Fleischer sei der lange Arm der Landesregierung, die ein allzu lautes Aufmucken gegen Fessenheim verhindern möchte. Schließlich trommelt man in Stuttgart hörbar für den Ausstieg aus dem Ausstieg. Da kann man sich schlecht gegen die Atompolitik des Nachbarn wenden.
© 2006 Der Sonntag