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Fessenheim

Badische Zeitung vom Donnerstag, 23. November 2006

Bayer: "Die Wende ist überfällig"
Podiumsdiskussion der Heitersheimer SPD zum Thema Engergiepolitik / Erneute Forderung nach Abschaltung des AKW Fessenheim

Bildunterschrift
Einen dezentralen ökologischen Energie-Mix gegen zentralistische unverantwortliche Atomenergie forderte die Podiumsdiskussion der SPD Heitersheim unter Leitung von Dieter Hennig (Mitte). Als Experten wurden Andreas Markowsky (links) und Dr. Michael Sladeck (rechts) nach Lösungswegen befragt.
(FOTO: SABINE MODEL)

Von unserer Mitarbeiterin Sabine Model

HEITERSHEIM."Wende in der Energiepolitik — notwendig oder überflüssig?", das fragte die SPD Heitersheim am Ende einer Veranstaltungsreihe zu alternativen Energien in einer Podiumsdiskussion. "Sie ist überfällig", korrigierte der Landtagsabgeordnete Christoph Bayer den Titel und brachte damit die Argumentationen der Experten auf den Punkt. Eine Energiewende sei möglich, man müsse sie nur anpacken. Es gebe keine sachliche Begründung für eine Laufzeitverlängerung des Atomkraftwerkes Fessenheim.
In ein bis zwei Generationen könne durch Einsparungen und erneuerbare Energien ein kompletter Energiequellenumbau erfolgen, so Andreas Markowsky, Geschäftsführer der Ökostromerzeugung Freiburg GmbH. "Doch fossile und atomare Energien verkaufen sich erfolgreich und die Großkonzerne wollen keine Marktanteile verlieren." Nur 30 000 High-Tec-Windräder würden mehr Strom erzeugen, als Deutschland verbrauche. Und zehn Prozent der überbauten Fläche mit Photovoltaik-Modulen bestückt, würden ebenfalls reichen, behauptete er. Der Anteil regenerativer Energien in Deutschland werde jedoch von 1990 bis 2007 nur von fünf auf 13 Prozent steigen. In Baden-Württemberg stagniere er sogar bei acht Prozent.
"Wir haben keine Wissens-, sondern eine Handlungsblockade", diagnostizierte Dr. Michael Sladeck, seit 30 Jahren Arzt in Schönau und Geschäftsführer der Elektrizitätswerke Schönau GmbH. Die Klimaveränderungen heute seien schlimmer als prognostiziert, die Schadensbekämpfung teurer als präventive Maßnahmen. Man müsse zu dezentralen Systemen kommen, weg von der Verschwendungswirtschaft. Es könnten 30 bis 40 Prozent Strom gespart werden ohne Komforteinbußen. Er forderte ökologische Konzepte und die Entscheidung, ob der Mittelstand oder Multis für Energie abkassieren.
Die AKWs seien abgeschrieben und reine Gelddruckanlagen, so Sladeck. Sie hätten keine Berechtigung mehr, weil ihre Kilowattstunden gar nicht zu bezahlen sind. Denn ihr Risiko sei sozialisiert und ihre Gewinne privatisiert. Effizienter noch als Photovoltaik (hohe Herstellungskosten) stufte er eine intelligente Ausnutzung der Blockheizkraftwerke ein, die nicht ein Drittel Strom erzeugen und zwei Drittel Wärme verpuffen lassen, sondern sie zum Heizen nehmen.
Das sei alles nicht so einfach, wusste der BLHV-Vorsitzende Bernhard Walz. Für die neue Mehrzweckhalle in Heitersheim habe er mit vier anderen Landwirten eine 70 Kilowatt-Biogasanlage mit Kraft-Wärme-Kopplung für 300 000 Euro durchkalkuliert. Doch der Teufel sitze im Detail. Landwirtschaftliche Flächen produzieren dann Energie statt Nahrung. Diese Nutzung werde nicht als Ausgleichsmaßnahme anerkannt. Bei Großanlagen gebe es lange Transportwege. Der Stadt Heitersheim sei das Projekt zu teuer. Man nutze lieber alte Ressourcen. "Es geht aber um Zukunftsgestaltung" , mahnte ein Zuhörer.
Christoph Bayer wollte sogar über eine Kohlendioxid-Steuer nachdenken. Die ethische Facette der AKWs mit Strahlung, Entsorgungsproblemen, Gefährdung durch Terror, Krebserkrankungen und Gen-Veränderungen war für ihn Anlass, eine alternative Energielandschaft am Oberrhein zu entwerfen. Fessenheim gehöre abgeschaltet, forderte er, zumal ein Mitglied der Kontrollkommission CLS diese als "Papiertiger" bezeichnete. Es werde informiert, aber nichts getan, hieß es. Bayer zeigte sich dem politischen Weg gegenüber aufgeschlossen, wollte aber das Kampfinstrument "TRAS" (Trinationaler Atomschutzverband) stärken, um die Forderung juristisch durchzufechten.
In der Diskussion, die Moderator Dieter Hennig "emotional aber inhaltsschwer" nannte, ging Sladeck noch einen Schritt weiter. Er beschwor den Willen und die Vision. Dann könne man das gigantische Potenzial an Wind- und Wasserkraft, Biomasse, Solarenergie und Geothermie anzapfen, die Speicherfrage lösen und die Stromnetze wegen der Versorgungs- und der Kostensicherheit selber in die Hand nehmen.

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