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TOP 2 der öffentlichen Sitzung des Ortschaftsrats von Niederrimsingen vom 4.12.2006
Informationen zum Atomkraftwerk Fessenheim
Motto: „Mir hän alli NEI
g’sait!“
Wie wichtig das Thema "Kernkraftwerk Fessenheim" für Niederrimsingen und Breisach ist, zeigt schon die Anzahl der Zuhörer, die trotz vorweihnachtlicher Verpflichtungen
so zahlreich erschienen sind, und die auch ich hiermit alle herzlich begrüßen will.
In Würdigung der zahllosen Initiativen von engagierten Bürgern, Vereinigungen und Institutionen unserer Region möchte ich diesen Tagesordnungspunkt unter das Motto: "Wir haben alle NEIN gesagt!" stellen. Und weil diese Worte hier vor Ort entstanden sind, und weil mein Alemannisch nicht ausreicht, um das akzentfrei in Mundart auszusprechen, bitte ich meinen Kollegen, Hubert Lai, dies stellvertretend für uns alle noch einmal zu sagen:
„Mir hän alli NEI g’sait!“
Die Diskussion um das Kernkraftwerk Fessenheim ist inzwischen von einem Meinungsstreit zu purer und sturer Stimmungsmache ausgeartet. Auf diesen Zug möchte ich ganz bewusst nicht aufsteigen, weil er uns keinen Schritt weiter bringt und von dem eigentlichen Thema nur ablenkt. Ich will mich bemühen, sachlich zu bleiben. Dieses Referat beruht auf Medienberichten, Sitzungsprotokollen und eigenen Recherchen, die ich durch persönliche Anwesenheit und in direkten Gesprächen eingeholt habe. Ich stehe in schriftlichem Kontakt zu Staatssekretär Gundolf Fleischer und zu Bundesumweltminister Sigmar Gabriel.
Der Stoff bietet Grundlage für Endlosdiskussionen. Es ist unmöglich, alles in dieser Sitzung zu erörtern. Darum will ich mich auf drei der wesentlichsten Punkte, die uns zurzeit beschäftigen, konzentrieren und bitte darum, in der anschließenden Diskussion auch dabei zu bleiben. Die Punkte lauten: 1 – Fessenheim, 2 – CLS und 3 – TRAS.
Punkt 1 - Fessenheim
Niederrimsingen verbindet mit Fessenheim die Luftlinie von 8 km. Die direkte Sichtweite, der freie Blick vom Tuniberg, erinnern immer wieder aufs Neue, wie exponiert wir hier sind.
Dass Fessenheim eine tickende Zeitbombe ist, sollte inzwischen jedem vernünftig denkenden Bürger in dieser Region klar geworden sein. Die Endlosberichte häufen sich, und mit jedem Tag, der vergeht, steigt die Gefahr einer Katastrophe. Es gibt inzwischen hunderte von so genannten "Sicherheitsberichten", die man zutreffender Weise eher als Unsicherheitsberichte bezeichnen muss. Die Palette reicht von Bagatellzwischenfällen (von den Sicherheitsgremien nach Stufen eingeordnet) bis zu unlösbaren Gefahrenquellen (Bauart, Alter, geologische und geografische Lage).
Von der Bauart her gehört Fessenheim zu den ältesten und unsichersten Anlagen dieser Art.
Das Alter kann ruhig als betagt bezeichnet werden.
Die Erdbebengefahr liegt in der Hand Gottes und die Möglichkeit eines terroristischen Angriffs in den Köpfen von politischen Fanatikern.
Unter diesen Umständen von Sicherheit zu sprechen entbehrt jeglicher Logik und Vernunft. Der einzige Weg, diese Gefahrenquelle auszuräumen bedeutet: "Fessenheim abschalten!"
Unter diesem Motto und mit diesem eindeutigen Ziel haben wir, die Ortschaftsräte von Niederrimsingen, im Frühjahr 2004 überparteilich ein Zeichen gesetzt und in unserem Dorf mehr als 500 Unterschriften gesammelt. Oberrimsingen hat nachgezogen. Damit sind die damaligen Ortsvorsteher, Erhard Bucher und Rolf Großkopf, nach Breisach gegangen, und der Gemeinderat hat sich unserer Forderung angeschlossen und einstimmig für die Stilllegung von Fessenheim plädiert.
Inzwischen sind die Lokalwahlen und anschließend die Landtagswahlen vergangen. Parteiraison ist wieder in den politischen Alltag eingekehrt... Aber, wie schon gesagt, auf diesen Zug will ich nicht aufspringen. Darum meine Bitte an dieses Gremium:
Lasst uns nicht gegeneinander diskutieren sondern miteinander denken und
handeln!
Wichtig ist die Frage: Was bedeutet das Kernkraftwerk Fessenheim für unsere Region?
Direktor Joseph Sanchez, der seit Dezember 2003 das von der EDF (Electricité de France) betriebene Kernkraftwerk leitet, stellt die Fessenheimer Anlage so vor: sie ist seit 1977 in Betrieb, für eine Laufzeit von 40 Jahren ausgelegt und derzeit Arbeitsplatz für ca. 600 Beschäftigte.
Für viele unserer französischen Nachbarn bringt Fessenheim große materielle Vorteile (Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und andere Privilegien, die von den Betreibern großzügig verteilt werden).
Auch auf deutscher Seite bestehen enge wirtschaftliche Verknüpfungen und Abhängigkeiten, deren Schwerpunkte in der Öffentlichkeit nicht so gerne breit getreten werden.
Im Richtungsstreit um Fessenheim haben sich inzwischen zwei Wege herauskristallisiert: TRAS und CLS. Als wir Anfang des Jahres an diesem Tisch darüber diskutiert haben, wussten wir über diese Gremien relativ wenig. Inzwischen haben sich die folgenden Informationen herauskristallisiert.
Punkt 2 - CLS
Die Gründung der "Commission Locale de Sourvaillance", CLS, wurde 1978 auf Druck von so genannten "Aktivisten", vornehmlich Kernkraftgegnern, erzwungen. Ihr gehören zurzeit drei Gruppen an: 10 französische Generalräte, 5 elsässische Bürgermeister von Gemeinden um Fessenheim und 5 Umweltverbände. Für deutsche Gremien ist es rechtlich nicht möglich, der CLS beizutreten.
In den Augen der Umweltverbände ist die CLS nur da, um ein Gefühl von Sicherheit zu erzeugen. Die EDF diktiert den Informationsstrom, der weiter gegeben werden darf. So passiert es nicht selten, dass falsche Informationen verbreitet werden. Die hinzugezogenen Experten dürfen nichts sagen. Sie wohnen den Sitzungen zwar bei, beantworten aber keine kritischen Fragen.
Auch ist ein Besuch der Sitzungen unattraktiv. Die fast ausschließlich in französischer Sprache geführten Diskussionen und Streitgespräche erstrecken sich oft über 5 bis 6 Stunden und bringen einem deutschen Zuhörer fast nichts.
Positiv erscheinen die intensiven und verzweifelten Bemühungen in letzter Zeit, dieses Gremium auch deutschen Behörden und Institutionen zu öffnen.
Weil Fessenheim auf französischem Gebiet liegt und sich somit jeglichem Machteinfluss deutscher Behörden und Institutionen entzieht, bleibt die Frage, was wir, die unmittelbar Betroffenen, unternehmen können und wollen. Da auf nationaler Ebene kein Weg möglich ist, müssen wir international denken und agieren.
Punkt 3 - TRAS
Das haben auch andere kluge Köpfe erkannt. So wurde 2005 in Basel der "Trinationale Atomschutzverband der Bevölkerung um Fessenheim" (TRAS) gegründet. Hier können sich Einzelpersonen, Institutionen und Gemeinden für ihre gemeinsamen Interessen einsetzen und eine moderne, umweltfreundliche und gefahrlose Energiepolitik anstreben.
Als ich im Frühjahr hier an diesem Tisch das erste Mal TRAS erwähnte, schlug mir großes Misstrauen entgegen. Vorurteile und Stimmungsmache, sowie persönliche Befindlichkeiten hatten kurz zuvor den Beitritt der Stadt Breisach zu TRAS verhindert.
Am 24. Mai 2006 nahm ich an einer Tras-Sitzung teil. Schon der Tagungsort hatte Symbolkraft: Am trinationalen Flughafen (Euro-Airport Basel-Mullouse-Freiburg) trafen sich Vertreter aus drei Nationen. Simultanübersetzer und 3 Fernsehteams vermittelten der Veranstaltung den Hauch großer Politik. Ich saß zwischen der Freiburger Bürgermeisterin für Umwelt, Schule und Bildung und dem Schweizer Nationalrat und Vizepräsidenten von TRAS und durfte Mdm. Corinne Lepage, Rechtsanwältin und französische Ex-Umweltministerin, das Wasser reichen. Trotz solch hochrangiger Politprominenz habe ich mich wohl gefühlt.
Beeindruckt hat mich auch die Informationsveranstaltung zum AKW Fessenheim für Bürgermeister und Gemeinderäte vom 17. Oktober 2006 in Waldkirch. Dort habe ich auch Christian Küppers vom Öko-Institut Freiburg-Darmstadt, Mitglied der deutschen Delegation der Deutsch-Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Anlagen (DFK) persönlich kennen gelernt. Seine Ausführungen zum Thema Reaktorsicherheit in Fessenheim haben ein Mal mehr bestätigt, wie hoch das Gefahrenpotential ist.
Überrascht hat mich auch, wie viele engagierte Bürgermeister es in unserer Region gibt, die sich vehement und nachdrücklich für eine moderne Energiepolitik weg von der Atomkraft einsetzen. Ebenso der mutige Schritt der Gemeinde Weisweil, die gegen die Betreiber des AKWs Fessenheim Klage wegen unzulässiger Überhitzung des Rheinwassers erhoben hat. Oder die Entscheidung der Stadt Waldkirch, die Energieversorgung in die eigene Hand zu nehmen. Das Gas- und das Stromnetz wurden aufgekauft und somit eine Unabhängigkeit von den Energieversorgern erreicht.
Dies alles zeigt: Es gibt sie, die Wege hin zu mehr Sicherheit, weg von der Kernkraft hin zu neuen, alternativen Energien. Dem entgegen stehen verkrustete wirtschaftliche Machtstrukturen. Auch wird gern argumentiert, man wolle die deutsch-französische Freundschaft nicht aufs Spiel setzen. Es gibt aber auch im Elsass mutige und engagierte Politiker, die gegen den Strom der Atomlobby schwimmen. In diesem Zusammenhang sei der "Öffentliche Appell von 110 Gewählten aus dem Elsass an die Regierung und an den Präsidenten der Republik..." erwähnt. Mehr als 125 elsässische Regionalpolitiker fordern mit einer Unterschriftenaktion die Stilllegung des ältesten französischen Kernkraftwerks in Fessenheim.
Damit möchte ich zum Ende meines Berichts kommen. Wie anfangs erwähnt, habe ich versucht nur über Tatsachen zu berichten. Ich habe bewusst politische Parteien und einzelne Personen nicht beim Namen genannt und auch weder für noch gegen deren Positionen geworben. Die Schlagzeilen in der Presse sprechen da eine ganz deutliche Sprache. Aber wir wollen keinen parteipolitischen Streit entfachen. Gefordert sind vielmehr Umdenken und Handeln - in der großen und in der kleinen Politik. Für die ganz kleine Politik sind wir im Ortschaftsrat zuständig. Wir können keine Berge verschieben, aber wir können Zeichen setzen. Ein erstes klares Zeichen haben wir schon im Frühjahr 2004 mit unserer Unterschriftenaktion gesetzt.
Das kommende Jahr 2007 ist ein Schicksalsjahr. Dann fällt nämlich die Entscheidung, ob die auslaufende Betriebsdauer für das KKW Fessenheim um weitere 10 oder sogar 20 Jahre verlängert wird und auch, ob vor unserer Haustür ein neuer Euroreaktor gebaut wird. Darum besteht akuter Handlungsbedarf.
Unser Altbürgermeister hat gegen Ende seiner Amtszeit ausdrücklich betont: "Ein jeder ist frei, selber zu entscheiden!" Ich habe meine eigene, ganz persönliche Entscheidung getroffen. Die Ideale und Zielsetzungen des TRAS haben mich dazu bewogen, zusätzlich auch noch Einzelmitglied zu werden. Damit habe ich jetzt die Möglichkeit, dessen Politik mit zu gestalten und bei wichtigen Entscheidungen mitzuwirken. Erste Anregungen sind schon hinübergekommen. Breisach ist jetzt mit weiteren 4 Stimmen (3 für den SPD-Ortsverein und eine von mir) an den Entscheidungen von TRAS beteiligt.
Abschließen möchte ich mit einem Achtzeiler, zu dem mich die bekannte Kabarettsendung "Scheibenwischer" inspiriert hat:
Fällt der Winzer tot vom Traktor, |
Für alle Interessierten der Hinweis: Dieses Referat sowie sämtliche Presseberichte der Badischen Zeitung zu diesem Thema kön¬nen im Internet unter http://rimsingen.de/beide/fessenheim/aktuell.htm nachgelesen werden.
Ich bedanke mich für die konzentrierte Aufmerksamkeit und stehe selbstverständlich für weitere Fragen zur Verfügung.
Gustav Rosa, Ortschaftsrat von Niederrimsingen
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