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Badische Zeitung vom Mittwoch, 7. März 2007
Der Saurier aus dem Nuklearpark
Atomkraftwerk Fessenheim: Bau und 30-jähriger Betrieb der Anlage im Elsass waren begleitet von Demonstrationen und Forderungen nach Stilllegung
Von unserer Korrespondentin Bärbel Nückles
FESSENHEIM. Spätestens im Jahr 2000 wollten die Fachleute die radioaktiven Abfälle der Atomkraftwerke ins Weltall schießen können. Noch 1975 erzählte man dies einer Besuchergruppe, als sie durch die Baustelle des künftigen Kernkraftwerks im elsässischen Fessenheim geführt wurde. Der deutsch-französische Damenclub aus Breisach ging "durch die gewaltigen Anlagen", hieß es im Bericht über den Besuch, die einmal ebenso gewaltige Strommengen erzeugen würden.
Zu dieser Zeit deckte Frankreich gerade einmal sechs Prozent seines Elektrizitätsbedarfs mit Strom aus Atomkraft. In Fessenheim bauten die Franzosen ihren ersten Druckwasserreaktor. Heute, 30 Jahre nachdem die Kernspaltung in Block 1 des AKW Fessenheim in Gang gesetzt worden ist, produziert das Kraftwerk immer noch Strom
- und ist damit das älteste des Landes. Fessenheim bildete den Auftakt einer Politik, die Frankreich mit einem Netz von Druckwasserreaktoren überzog. Bis 1985 sollten sie die die Hälfte des Strombedarfs decken. Heute ist dieses Ziel weit übertroffen: 80 Prozent des französischen Stroms stammen aus Atomkraftwerken.
Die Beschwichtigungen gegenüber der Besuchergruppe im Jahr 1975 erinnern stark an das Verhalten deutscher Politiker, die den anhaltenden Ängsten der Bevölkerung gegenüber einem Atomkraftwerk am Oberrhein damals nur mit Worthülsen begegneten. In einer Fragestunde des Bundestags schon im Dezember 1971 versicherte der damalige Innenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), es würden weder in Breisach noch in Fessenheim Kernkraftwerke genehmigt, bevor nicht eine genaue Analyse ihrer Auswirkungen auf Klima und Ökologie vorliege.
Von Beginn an hatte sich das damalige Badenwerk (heute EnBW) - inklusive des Landes Baden-Württemberg als Miteigentümer
- an den Bau- und Betriebskosten des AKW Fessenheim beteiligt und dort produzierten Strom ins deutsche Netz übernommen. Und es waren weitere Atomkraftwerke geplant. Deshalb sprach die atomkritische Szene mit bitterem Ton vom Oberrheingebiet als der "Allee der Kernkraftwerke". Doch die Projekte in Gambsheim, Breisach und Wyhl wurden nicht realisiert. Pläne für einen Nuklearpark bei Fessenheim blieben ein Gerücht.
AKW-Gegner klauten geheimen Notfallplan
Dennoch empörte die Haltung der "Offiziellen" in Politik und Verwaltung eine Gruppe Unbekannter so sehr, dass sie 1979, als Fessenheim längst am Netz war, den geheimen Notfallplan aus dem Landratsamt Lörrach entwendeten, ihn kopierten und das Original zurückbrachten, ehe sie dann das Reglement für den Notfall veröffentlichten.
Zu jenen, die nicht an den Segen der Kernenergie glaubten, gehörte der Straßburger Atomphysiker Jean-Marie Brom. Ganze Nachmittage erklärte der Student Brom Hausfrauen in Fessenheim, was da auf sie zukomme. "Die meisten wollten das Kernkraftwerk vor allem nicht vor ihrer Haustür", erinnert er sich. Dass selbst renommierte Wissenschaftler behaupteten, der Reaktor gebe keine Radioaktivität an die Umwelt ab, macht ihn noch heute rasend.
Petitionen und Forderungen von damals und heute - ob von Landespolitikern oder streitbaren Atomkritikern
- gleichen sich mitunter bis in den Wortlaut. Gebetsmühlenartig forderten und fordern sie die Stilllegung und unabhängige Sicherheitskontrollen. Sie warnten und warnen vor der Gefahr durch Erdbeben und Terrorangriffe. Es gab Großdemonstrationen mit 20 000 Menschen und einen Hungerstreik
- Fessenheim blieb am Netz. Selbst ein Bombenanschlag in der Bauphase hielt, anders als der Sitzstreik im badischen Wyhl, den Bau nicht auf.
Die Befürchtungen wegen des Kraftwerks sind im Laufe der Jahre nicht geringer geworden. Die Kette beunruhigender Nachrichten aus Fessenheim setzte früh ein und riss nie ab. Nach einer Turbinenpanne stand Block 1 im Sommer 1977 vier Wochen still. Im Herbst 1979 berichtete ein persischer Ingenieur und Sicherheitsspezialist über Haarrisse an der Innenseite des Reaktor-Druckbehälters. "Kontinuierlich beschießt der Neutronenstrom die Stahlwand und macht sie spröde", sagt Jean-Marie Brom. "Und keiner weiß, wann der kritische Punkt erreicht sein wird. Denn nach 30 Jahren bewegen wir uns im Ungewissen." Mit den Jahren hätten besonders jene Störfälle zugenommen, sagt er, in denen menschliches Versagen eine Rolle spiele.
Auch nach 30 Jahren zeigen sich weder Jean-Marie Brom noch Axel Mayer, Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Südlicher Oberrhein, entmutigt. "Wenn sie in einem Radius von 300 Kilometer um das Kernkraftwerk in Fessenheim wohnen und es kommt zu einer Katastrophe, die morgen schon eintreten kann, dann werden sie ihre Heimat schnell und endgültig verlassen müssen und froh sein, einfach nur zu überleben", beschreibt Mayer das Szenario, von dem er hofft, das es nie eintreten wird.
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