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Badische Zeitung vom Donnerstag, 15. November 2007
Strategie gegen Fessenheim Bildunterschrift Christian Küppers, Bärbl Mielich und Claude Ledergerber (von links) diskutierten über Fessenheim (FOTO: HANS CHRISTOF WAGNER) |
Von unserem Mitarbeiter Hans Christof Wagner
BREISACH. Die Landtagsabgeordnete Bärbl Mielich hält es für sinnlos zu fordern, dass Deutsche an den Sitzungen der Fessenheim-Überwachungskommission CLS (Commission Locale de Surveillance) teilnehmen. Bei einer Podiumsdiskussion des Kreisverbands Bündnis 90/Die Grünen in Breisach wurde deutlich, dass der Kraftwerksbetreiber EdF wohl nicht einmal die Franzosen in der Kommission hinreichend informiert.
"30 Jahre Fessenheim — ein Atomkraftwerk bedroht die Region" hieß das Motto der Veranstaltung. Sie war auch vor dem aktuellen Hintergrund anberaumt worden, dass die Stadt Breisach über einen Beitritt zum "Trinationalen Atomschutzverband" (Tras) nachdenkt. Die Abstimmung im Gemeinderat ist laut Mielich aber verschoben worden.
Claude Ledergerber, Vorstandsmitglied von Tras, saß mit auf dem Podium. Er berichtete in der gut besuchten Spitalkirche, dass sein Verband in den kommenden Wochen die lang angekündigten juristischen Klagen gegen das Atomkraftwerk (AKW) einreichen will. Eine Klage habe den französischen Premierminister zum Adressaten, eine richte sich an den Präfekten des Departements Haut-Rhin, die dritte ziele auf die europäische Ebene ab, erläuterte er.
Ledergerber erzählte auch von den Problemen von Tras, im Elsass Fuß zu fassen. So ist bislang nur eine französische Kommune Mitglied, Mollau in den Vogesen. "Ich kenne einige elsässische Bürgermeister, auch grüne, die hinter uns stehen, die sich aber nicht trauen, die Abstimmung über den Beitritt dem Gemeinderat vorzuschlagen", sagte der Franzose. Umso wichtiger sei es, dass deutsche Städte und Gemeinden den Franzosen ein Beispiel geben. So könne vor allem ein Tras-Beitritt Breisachs Eindruck machen, meinte Ledergerber. Auch im Publikum wurde das so gesehen.
Die Fessenheim-Kontrollkommission CLS ist die erste ihrer Art in Frankreich gewesen. Ledergerber erinnerte an die Anfänge 1977, als ein Hungerstreik stattfand, um die Kommission zu erzwingen. Heute gebe es in ganz Frankreich an AKW-Standorten solche Kommissionen. Sie heißen laut Ledergerber aber nicht Kontrollkommission, wie in Fessenheim, sondern Informationskommission.
Doch der Betreiber EdF (Électricité de France) betrachte auch die CLS lediglich als Informationskommission, wirkliche Kontrolle übe sie letztlich keine aus. Auch mit dem Informationsfluss hapert es dem Tras-Vize zufolge: "Die fünf elsässischen Umweltverbände in der CLS werden von der EdF oft benachteiligt, desinformiert und ausgegrenzt".
Laut Ledergerber sind inzwischen viele Politiker für eine Abschaltung des 30 Jahre alten Atomkraftwerks, auch Staatspräsident Nicolas Sarkozy habe sich dafür ausgesprochen. Das heiße jedoch nicht, dass sie grundsätzlich gegen Atomkraft eingestellt sind, sagte Ledergerber. Viele wollten nur den alten Reaktor durch einen moderneren ersetzen, den "Euro-Reaktor" EPR.
Christian Küppers vom Öko-Institut Darmstadt sitzt seit 2005 in der Deutsch-Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Anlagen (DFK). Diese Kommission kümmert sich seit 1976 um die Sicherheit von deutschen und französischen AKW im Grenzgebiet. Küppers hat das AKW Fessenheim im vergangenen Jahr mit der DFK besichtigt. Er berichtete in Breisach über die bekannten Sicherheitsmängel des Meilers. So seien die abgebrannten Brennstäbe außerhalb des besonders geschützten Reaktorblocks gelagert. Einem terroristischen Angriff oder einem Flugzeugabsturz halte das Lagergebäude nicht stand, warnte Küppers. Bei seiner Zerstörung werde radioaktive Strahlung frei, die, auf das Element Cäsium bezogen, schlimmer sei als bei Tschernobyl.
Komme Regen hinzu, müssten Menschen in einem Gebiet weit über Stuttgart hinaus evakuiert und umgesiedelt werden, so Küppers. Er machte deutlich: Die DFK tauge weder zum wirksamen Kontrollinstrument noch liege es in ihrer Kompetenz, Fessenheim stillzulegen.
Bärbl Mielich empfahl nach zwei Stunden Diskussion eine "kombinierte Strategie" gegen Fessenheim: Die Mitgliedschaft bei Tras, den Wechsel zu einem Ökostromanbieter sowie den politischen Protest gegen die 30 Jahre alte Anlage. "Deutsche Vertreter in die CLS zu entsenden, wie das CDU-Bürgermeister in der Region immer wieder fordern, macht vor dem Hintergrund, was wir heute Abend gehört haben, keinen Sinn", so die Landtagsabgeordnete.
© 2007 Badische Zeitung