Aktuell |
Pressebericht |
Badische Zeitung vom Samstag, 15. Dezember 2007
Neue Kritik an altem AKW Eine Schweizer Studie moniert zu geringe Erdbebensicherheit beim Atomkraftwerk Fessenheim Bildunterschrift Eine neue Studie aus der Schweiz kommt zu dem Schluss, dass das Erdbebenrisiko für das AKW Fessenheim bei der Planung unterschätzt worden ist. (FOTO: BERND MICHAELIS) |
BASEL/FESSENHEIM (sda). Bei der Planung des französischen AKW Fessenheim ist das Erdbebenrisiko unterschätzt worden. Zu diesem Schluss kommt eine Studie im Auftrag der Regierungen von Basel-Stadt und Jura vom Genfer Büro Résonance Ingénieurs-Conseils SA erarbeitet und am Donnerstag in Basel vorgestellt wurde. Die Sicherheit dieses AKW sei neu zu prüfen, fordern die Regierungen nun.
Vor dem Hintergrund einer AKW-kritischen Kantonsverfassung sowie eines entsprechenden Atomschutzgesetzes und der Mitgliedschaft im trinationalen Atomschutzverband TRAS steht für den Kanton Basel-Stadt die Sicherheit benachbarter AKW im Fokus. Für die Expertise haben zwei Gutachter ein gutes halbes Jahr lang umfangreiche Dokumente gesichtet, Fachgespräche geführt, französische Behörden kontaktiert und daraus ihre Schlüsse gezogen und Empfehlungen formuliert. Im Ergebnis kommt die Studie zu dem Schluss, dass die Fessenheim-Betreiberin die mögliche Erdbebenstärke unterschätzt hat. Die Erdbebensicherheit des AKW Fessenheim sei indes angesichts von Erfahrungen etwa in Japan "eher höher" als zu Zeiten der Planung und Bau vorgeschrieben war. Ob die Sicherheitsreserve ausreicht, sei aber vor Ort abzuklären.
Die Kantone Basel-Stadt und Jura als Studien-Auftraggeber haben Behörden von Frankreich, Deutschland und der Schweiz informiert. Frankreich werde eingeladen, die Ergebnisse mit den Verfassern "eingehend zu besprechen". Zudem wird nach Angaben einer Pressemittelung eine aktuelle Überprüfung der Erdbebensicherheit des AKW Fessenheim "angeregt". Aktiv wurde Basel-Stadt nach wiederholten Zwischenfällen im alten Elsässer Atommeiler am Rhein und angesichts widersprüchlicher Dokumente zur Erdbebensicherheit. Die Regierung habe den Bund und die zuständige binationale Kommission (CFS) angesprochen, doch ein gezieltes und koordiniertes Vorgehen sei nicht zustande gekommen.
Das älteste AKW Frankreichs, das etwa zehn Kilometer nördlich von Müllheim und Neuenburg im erdbebengefährdeten Oberrheingraben liegt, war 1977 in Betrieb genommen worden. 2009 steht dem AKW Fessenheim die dritte Zehnjahresüberprüfung bevor. Dafür wieder die alte Erdbebenbasis zu verwenden, wäre "nicht akzeptierbar", schreiben die Experten. Der Basler Gesundheitsdirektor Carlo Conti verhehlte nicht, dass diese Studie den Druck auf Frankreich verstärken soll. Konkret gehe die Betreiberin Electricité de France (EDF) im Vergleich der neueren wissenschaftlichen Einschätzungen von einer sehr optimistischen Einschätzung der Distanz des AKW zu einem realistischen Erdbebenherd aus, sagte CO-Autor Martin Koller. Auch die realistische Beben-Magnitude bewerte sie sehr optimistisch. Zudem klammere die EDF die Möglichkeit eines schwächeren Bebens als dem verheerenden Basler Erdbeben von 1356 aus. Doch auch ein kleineres Beben könne das AKW möglicherweise beschädigen. Diese Einschätzung würden wohl 95 Prozent der unabhängigen Seismologen teilten, betonte Koller.
Wie gut die Schlüssel-Bausubstanz des AKW Erdbeben widerstehen kann, konnte mangels Informationen nicht konkret geklärt werden. Er habe EDF gar nicht danach gefragt, weil er das angesichts der Vertraulichkeit dieser Daten für aussichtslos gehalten habe, sagte Koller weiter. Das hätte auch den Rahmen der Studie gesprengt.
Laut Conti wurden der Jura und das Baselbiet angefragt für eine Mitträgerschaft der Studie — der Jura sagte zu, Baselland ab. Basel liege "in der Windfahne" von Fessenheim, sagte der für Außenbeziehungen zuständige Justizdirektor Guy Morin. Der jurassische Gesundheitsminister Philippe Receveur wies vor den Medien auf Gebäude im Grenzkanton hin, die beim historischen Basler Erdbeben von 1356 zerstört worden waren. Die diversen Zwischenfälle der Vergangenheit seien beunruhigend.
© 2007 Badische Zeitung