Erlkönig
(Eine Ballade)
Fessenheim
(Eine Ballade frei nach Goethes Erlkönig)
Johann Wolfgang Goethe (1782) Gustav Rosa (2007)
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?
Siehst Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron und Schweif? -
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. -

»Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.«

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht? -
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind. -

»Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.«

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort? -
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau. -

»Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.«
Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan! -

Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.

Wer radelt so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

„Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?“
“Siehst Vater, du, Fessenheim nicht?
Das Kernkraftwerk da, so nahe am Rhein.“
„Mein Sohn, es ist alles nur Schein.“

„Du liebes Kind, kauf Strom von mir!
Ganz billig aus Kernkraft, komm hol ihn dir;
Manch Brennstab strahlt weiter Millionen von Jahr’n,
Mein Meister sagt allen: Gar keine Gefahr!“

„Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Fessenheim leise mir alles verspricht?“
“Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind.“

„Willst, feiner Knabe, du mit mir geh’n?
Mein Reaktor hat Risse, man kann sie schon sehn.
Mein Kühlwasser heizt auf den mächtigen Rhein,
Das soll unser Schaden auf keinen Fall sein.“

„Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Fessenheims Macher am düstern Ort?“
“Mein Sohn, mein Sohn, ich seh’ sie genau:
Es sind alte Herren, ihr Haupt ist schon grau.“

„Ich liebe dich, mich reizt dein Geld, dein Gehalt;
Und zahlst du nicht willig, so brauch ich Gewalt!“
“Mein Vater, mein Vater, jetzt strahlt es mich an!
Fessenheim hat mir ein Leid angetan!“

Dem Vater grauset's, er radelt geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht das Zuhause mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind ist tot.

Vorgetragen am Rheindamm gegenüber von dem Kernkraftwerk Fessenheim, am 21.April 2007, zum Abschluss des "Mahnwegs für das Leben" von Gustav Rosa aus Breisach-Niederrimsingen.
Zur Erinnerung an vergangene Jahrhunderte, wo Deutschland berühmt und bekannt war, als ein "Volk der Dichter und Denker". Gewidmet allen Teilnehmern am "Mahnweg für das Leben", die sich aus der Masse von satten Bürgern unserer heutigen Wohlstandsgesellschaft der "Macher und Lenker" wohltuend als Weiterdenker hervorheben.

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